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(Juni)
...weil Euch „Latinomals“ so gut gefallen hat.
Gewidmet allen Frauen da draußen, die genauso fassungslos vor dem Phänomen Mann stehen und sich seinen Reizen dennoch nicht entziehen können!
Allen „Männer sind anders, Frauen auch“ Bestseller-Autoren zum Trotz, Männer und Frauen können nicht zusammenkommen!
Von wegen, es gäbe Wege und Mittel zur gemeinsamen Harmonie. Alles Irreführungen, die von den Grausamkeiten der Wirklichkeit ablenken sollen. Zumindest scheint das auf mich zuzutreffen. Joys Tage in trauter Zweisamkeit sind gezählt noch bevor Miss Torschusspanik 30 wird. Und während sich ihre paarungswillige Umwelt stetig weitervermehrt, darf sich Joy mit ewigen Spielern, feigen Jägern und undurchschaubaren Gefühlsneurotikern herumschlagen.
Was nützen all die weisen Singleratgeber, die zu noch mehr „Machen Sie sich interessant, aber kommen sie ihm dabei nicht zu nahe“ mahnen? Was die dauernden „Respektieren sie seine Andersartigkeiten und versuchen sie ihn keinesfalls zu verändern“ Belehrungen? Wenn es darauf ankommt, dann zieht Mr. Gegenpart ohnehin seinen Schniedel ein oder erweist sich als „Bad Boy“, von dem man sich laut Singleratgeber tunlichst fernhalten sollte.
ch habe sie alle befolgt, die Regeln des „Wie halte ich mir einen Mann“ Spiels. Ich habe ihn kommen lassen ohne passiv da zu stehen. Ich habe all die „erzähl mir mehr von Dir“ Fragen gestellt ohne den Eindruck zu erwecken, ich erwarte ein Outing. Und ich habe versucht bei jedem unserer Treffen noch umwerfender, noch reizvoller und unwiderstehlicher zu wirken, als das Mal zuvor. Es musste diesmal einfach klappen! Schließlich war er es doch, der mich angesprochen hatte.
Die beste Unterwäsche hab ich ausgegraben. Und das ist eine nicht zu unterschätzende Entscheidung, bei der das Timing ausschlaggebend ist. Denn ein Mal getragen heißt gleichzeitig, solange auf den reizvollsten aller Appetitanreger aus dem Kleiderschrank zu verzichten, bis der nächste Wäschekorb in Angriff genommen wird. Und das kann dauern! Nicht auszudenken was passiert, wenn am alles entscheidenden Abend das Spitzenteil nicht zum Einsatz kommt und man in den darauffolgenden Tagen nur noch auf weniger aufregende Dessous zurückgreifen kann. Und genau dann passiert es wohlmöglich! Aber das ist ja nur ein Randbereich der gesamten Projektplanung.
Nachdem mein Gesicht über ein ¼ Jahrhundert keinem Schönheitsideal weichen musste, habe ich zur Pinzette gegriffen und es getan. Jawohl, ich habe mir zum ersten Mal an den Augenbraun rumzupfen lassen. Meine Freundin meinte, ich sehe völlig verändert aus. Damit meinte sie wohl meine kurzzeitige Gesichtsstarre, die zum Ausdruck bringen wollte, dass Frauen offensichtlich den Verstand verlieren, wenn sie sich solchen Qualen unterziehen, um bessere Erfolgsquoten beim Balzritual zu haben. Und ob drei Härchen rechts und links weniger die „männliche Kooperationsbereitschaft“ merklich beeinträchtigen, sei mal dahingestellt. Jedenfalls eine schmerzhafte Prozedur, die buchstäblich nach einer Abfindung schreit.
Meine Beine waren so gründlich rasiert, dass er auf ihnen hätte rodeln können. Und meine mentale Verfassung habe ich auf höchste „ich lieb mich so wie ich bin“ Ebene poliert.
Es konnte also gar nichts schief gehen.
Bedauerlicher Weise sind solche „heut passiert es“ Abende so lückenlos vorbereitet und durchdacht, dass sie zwangsweise völlig unkontrollierbar ablaufen müssen. Und im Punkto Lampenfieber offenbart sich einem natürlich die volle Herzattackendosis.
Ganz egal wie sehr man sich vor Aufbruch der Dunkelheit auch versucht abzulenken, um sich dann mutwillig zu verspäten, irgendein ungeschriebenes Gesetzes sorgt immer dafür, dass man unpassender Weise schon Jahre vor ihm an dem verabredeten Ort eintrifft.
Natürlich versucht man in der verbleibenden Wartephase krampfhaft die ersten nervösen Zuckungen zu unterdrücken, doch dieser Versuch schlägt grundsätzlich fehl.
Dieser misslungenen Eröffnung ist man spätestens dann unterlegen, wenn man sich selbst so oft beim ständigen Umsehen ertappt, dass man keinem Gesprächsstrang der Freunde mehr folgen kann. Besonders beunruhigend wird es, wenn man knapp 10 Minuten nach Ankunft bereits seine dritte Ehrenrunde gedreht hat und dabei noch versucht möglichst unerkannt zu bleiben. Aber was sind all diese Entgleisungen schon gegen den unkontrollierbaren Faktor Mann?
Nicht dass er nicht auf der Stelle Deinem unwiderstehlichen Charme unterliegt oder Deinem bezauberndem Äußeren nicht die gebührende Beachtung schenkt und sich augenblicklich in dem magischen Bann Deiner weiblichen Reize verfängt.
Nein, er kommt erst gar nicht!
Während Du höchstwahrscheinlich den Oskar für die am aufwendigsten inszenierte Fruchtbarkeitszeremonie verdient hättest, zieht es Mr. Gegenpart allen Ernstes vor, Dir per modernem Kommunikationsmittel einfach abzusagen. Schlagartig versuchst Du Dich an den Abschnitt im Singleratgeber zu erinnern, der für den Fall der „unangenehmen Absage“ geschrieben wurde und musst entsetzt feststellen, dass Du dieses Kapitel übersprungen hast.
Zu allem Überfluss ist in der Zwischenzeit selbst dem Gefühlsneurotiker am anderen Ende der Leitung Deine verräterische Sprachlosigkeit nicht entgangen und all Deine emotionalen Tarnversuche sind im Nu von Bord geschmissen. Jeder anwesende Bar-Besucher, der sich anhand Deiner peinlichen Rundgänge Dein Gesicht einprägen konnte, stiert jetzt auf Dich. Wahrscheinlich haben sie die Situation auch schon durchschaut und wissen sofort was los ist. Abgesehen davon, dass die Situation hochgradig zum Davonlaufen ist, deuten die Blicke darauf hin, dass sich auf Deinem Gesicht hässliche, rote Absage-Pusteln breit gemacht haben. Es gibt durchaus Momente im Leben, die man souveräner gemeistert hat.
Doch das grausamste ist, dass Du Mr. Gegenpart nicht auf der Stelle erschießen, erhängen und kastrieren kannst. Diese Art von akuter Hilflosigkeit macht Dich mit Abstand am meisten zu schaffen. Und Dir fallen schlagartig zwei bis sechsduzend Rachestrategien ein, die Dich aller Ausweglosigkeit zum Trotz zum unausweichlichen Triumph führen könnten.
Aber bedauerlicher Weise kommst Du erst gar nicht zum Zug.
„Joy! Hallo Joy, bist Du noch dran?“
Ich sag’s ja, alle emotionalen Tarnversuche sind soeben von Bord gegangen.
„Ja, ja. Mich hat gerade nur ein...ähm... ein sehr gutaussehender Mann angesprochen.“
Verdammt Joy, wieso hältst Du nicht einfach die Klappe?
„Gut, wir können ja morgen noch mal telefonieren. Dann holen wir das nach, okay?“
Was heißt das denn schon wieder? „...wir können ja morgen noch mal telefonieren...“
Mit anderen Worten, wenn er nicht anruft, hat er kein Versprechen gebrochen und wenn ich mich melde, mach ich mich zum Trottel.
„ Na, klar. Kein Problem! Wir hören uns.“
...Arschloch!
Die Dinge nehmen ihren Lauf und so sehr Du Dich auch bemühst, es von Dir abzuwenden, der Abend ist für Dich unwiederbringlich gelaufen. Sich den Trost woanders zu suchen macht insofern wenig Sinn, da zwar auch andere Mütter schöne Söhne haben, davon aber mindestens 70 % einem ähnlichen Defekt unterliegen wie Mr. Gegenpart und die restlichen 30 % bereits vergeben sind, wenn nicht schwul.
Und dann kommt der Tag danach und offenbart Dir gnadenlos die gesamte erbärmliche Bandbreite Deines inkonsequenten Charakters.
Ich dachte, wenn ich eine Nacht darüber schlafe, dann geht es mir am nächsten Morgen etwas besser, aber ich zergehe geradezu vor Ungeduld auf seinen angedeuteten Anruf, um ihm für heute endlich abzusagen. Ich dachte, wenn etwas Zeit vergeht, dann wirkt die ganze Situation nicht ganz so idiotisch auf mich. Dabei ist mein momentaner Gemütszustand durchaus vergleichbar mit dem Make up vom vergangenen Abend. Das hat sich nämlich über nacht auf meinem Gesicht in alle Richtungen ausgebreitet und sieht so mitleidenserregend aus, dass ich ernsthaft daran zweifele, ob mich je wieder ein Mann lieben wird.
Und in Anbetracht dessen, dass trotz meines enormen Einsatzes das Projekt kläglich gescheitert ist, komme ich mir noch kindischer vor, als vor meiner Pubertät, als ich noch unbeschwert und frei jeglicher Balzfehltritte war.
Ich habe doch genau gewusst, dass dieser Mann Gift für mich ist. Was um Himmels Willen treibt mich dazu, es dann trotzdem zu versuchen? Besitze ich etwa ein unkorrigierbares Dämlichkeitsgen oder neige ich zu leicht masochistischen Zügen? Ich dachte mit zunehmendem Grad an Erfahrungen wird man allmählich schlauer, dabei betrete ich augenscheinlich mit jedem neuen Mr. Gegenpart wiederholt die Anfängerklasse für Unbelehrbare. Hauptfach: „Lass die Finger von Singleratgebern und erkenne Deine eigene Unzulänglichkeit“. Das kann doch unmöglich ewig so weitergehen!
Heute Abend ist Samstag Abend, der wohl aufregendste Abend der Woche, wenn es nicht der einsamste ist. Ich stehe vor der alles entscheidenden Frage, welches der mir zurechtgelegten Rachestrategien wohl die bahnbrechendste ist. Dabei komme ich nicht drum herum auch Teile meiner Aufmerksamkeit der Abwehr einer sich leise bemerkbaren Sehnsucht nach einem Happy End zu widmen. Noch ist es nicht zu spät...
NEIN JOY, lass es! Das Spiel ist vorbei. Mr. Gegenpart hat s vermasselt und Du wirst nicht den Fehler begehen und Vergeltung üben! Dieser Mann weiß Deinen Wert nicht zu schätzten. Und Du wirst Dich jetzt verdammt noch mal rar machen.
Drei Sekunden vergehen...
...Und wenn ich ihm absage und dann ganz überraschend dort auftauche wo er sich auch rumtreibt?...
Es ist das Dämlichkeitsgen! Ganz eindeutig das Dämlichkeitsgen!
Joy
(Alle Rechte liegen bei Shadi Nouyan)
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